Was ist ein Partizipativer Haushalt?

Von
Sören Fillet
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29.04.2025
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8 minutes
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Für viele Verwaltungen ist der Aufbau von Vertrauen und Transparenz bei der Haushaltsverteilung eine stetige Herausforderung. Hier hat sich der Beteiligungshaushalt als große Hilfe erwiesen: ein bewährter Ansatz, der es der Öffentlichkeit ermöglicht, über die Verwendung öffentlicher Mittel mitzubestimmen. In diesem Artikel werfen wir einen genaueren Blick auf die Vorteile und Herausforderungen von Beteiligungshaushalten, betrachten Praxisbeispiele und bieten praktische Schritte für den Einstieg.

Definition des Beteiligungshaushalts - was steckt dahinter?

Der Beteiligungshaushalt ist ein demokratischer Ansatz zur Verwaltung der öffentlichen Finanzen. Er ermöglicht es Bürger*innen, direkten Einfluss auf die Verwendung (eines Teils) des öffentlichen Haushalts zu nehmen. Durch die Beteiligung mittels Online-Plattformen und durch persönliche Veranstaltungen können sie Ideen einreichen, ihre Meinungen mitteilen und gemeinsam mit der Stadt- oder Gemeindeverwaltung die Verteilung von öffentlichen Geldern mitbestimmen.

Neben dem Beteiligungshaushalt existieren noch zwei weitere Ansätze, die auf eine solche demokratische Haushaltsführung abzielen: Bürgerhaushalt und Bürgerbudget. Obwohl diese Begriffe häufig synonym verwendet werden, unterscheiden sie sich jedoch in Umfang, Entscheidungsbefugnis und Struktur.​ 

  • Der Bürgerhaushalt ist ein partizipatives Verfahren, bei dem Bürger*innen bei der Verteilung des gesamten Finanzhaushalts eine Mitsprache haben. Im Gegensatz zum traditionellen Modell, bei dem Verwaltung und Politik die Entscheidungen treffen, ermöglicht der Bürgerhaushalt eine direkte Beteiligung der Bevölkerung an der Planung des gesamten Haushalts der Kommune.
  • Der Beteiligungshaushalt funktioniert ähnlich wie der Bürgerhaushalt, jedoch ist die Beteiligung der Bürger*innen auf einen limitierten Teil des Haushaltsbudgets fokussiert. Dieser zuvor spezifizierte Betrag kann bestimmten Projekten oder Initiativen gewidmet werden, die von der Bevölkerung als wichtig erachtet werden.
  • Das Bürgerbudget ist eine Variante des Beteiligungshaushalts, bei der Bürger*innen direkt über eine festgelegte Geldsumme entscheiden können. Die Beteiligung beschränkt sich auf Einzelprojekte.

Der Ansatz des Beteiligungshaushalts kann je nach Typ auf verschiedenen Stufen der Partizipationsleiter angesiedelt werden. Während der direkte Einfluss der Bürger*innen auf die Haushaltsentscheidungen in den oberen Rängen liegt, bieten auch die anderen Ansätze wertvolle Möglichkeiten zur Mitgestaltung. 

Auch wenn es – wie Jörg Sommer in seinem Artikel 'Über Geld spricht man nicht' erklärt – oft unangenehm ist, über Geld zu sprechen, ist es dennoch ein wichtiger Schritt. 

Ein gut durchdachter Prozess sorgt dafür, dass solche Gespräche zu positiven Erfahrungen führen, ohne dass man sich vor negativen Reaktionen fürchten muss.

Vorteile des Beteiligungshaushalts

Der Beteiligungshaushalt läutet ein neues Kapitel in der Beteiligung der Bürger*innen in der Politik ein und kann, wenn er richtig unternommen wird, zahlreiche Vorteile für sich behaupten:

  1. Er fördert Innovation und Kreativität: Durch die Einbeziehung einer Vielzahl an unterschiedlichen Menschen in den Entscheidungsprozess können partizipative Haushalte innovative Ideen und Lösungen hervorbringen, die Sie sonst vielleicht nicht in Betracht gezogen hätten.
  2. Er führt zu fundierten Investitionsentscheidungen: Beteiligungshaushalte stellen sicher, dass öffentliche Mittel für Projekte bereitgestellt werden, die für die Bürger*innen wirklich wichtig sind. Dies führt zu effektiveren und wirkungsvolleren öffentlichen Investitionen.
  3. Sie geben Einblicke in die Meinungen der Bürger*innen: Durch die Analyse der Entscheidungen, die von den Teilnehmer*innen getroffen wurden, erhalten Sie wertvolle Einblicke in die Prioritäten, Präferenzen und Stimmungslage der Gemeinde.
  4. Er informiert die Bürger*innen: Partizipative Haushalte bieten den Gemeindemitgliedern die einmalige Gelegenheit, in die Rolle von Entscheidungsträger*innen zu schlüpfen und verschiedene Optionen auf der Grundlage von Kosten, Wert und Nutzen abzuwägen. Auf diese Weise gewinnen die Bürger*innen ein tieferes Verständnis für die Komplexität der öffentlichen Haushaltsplanung und die politische Entscheidungsfindung.
  5. Es bemächtigt die Bürger*innen und schafft Vertrauen: Indem sie den Gemeindemitgliedern ein direktes Mitspracherecht bei Entscheidungsprozessen einräumen, geben Beteiligungshaushalte ihnen das Gefühl, selbstbestimmt zu handeln, und fördern die Eigenverantwortung und das Vertrauen in die Regierung.

Nachteile von partizipativen Haushalten und mögliche Lösungen

Beteiligungshaushalte sind zwar ein wertvolles Werkzeug für die Beteiligung der Bürger*innen, sie bringen aber auch Herausforderungen mit sich. Im Folgenden werden einige der häufigsten Hürden für Kommunalverwaltungen und die Strategien zu deren Bewältigung vorgestellt:

 1. Begrenzte Beteiligung

  • Herausforderung: Bestimmte Gesellschaftsgruppen müssen für eine Beteiligung größere Hürden als andere überwinden. So zum Beispiel Gemeinden mit einem historisch bedingten, geringeren Vertrauen in die Regierung, Menschen, die das Gefühl haben, dass ihre Stimme oft nicht gehört wird, oder Menschen mit eingeschränktem, digitalem Zugang. Überdies könnten einige Einwohner*innen den Prozess als komplex empfinden, was eine Beteiligung weiter verringert.
  • Lösungen: 
    • Gezielte Öffentlichkeitsarbeit, z. B. durch Tür-zu-Tür-Kampagnen, mehrsprachige Infomaterialien und Partnerschaften mit lokalen Organisationen.
    • Bieten Sie verschiedene Beteiligungsmethoden an, darunter persönliche Workshops und zugängliche Online-Plattformen für die Beteiligung der Bürger*innen, um die Einbeziehung aller zu gewährleisten.
    • Vereinfachen Sie die Schritte des Prozesses und kommunizieren Sie sie klar und deutlich durch Workshops, visuelle Leitfäden und Repräsentanten der Gemeinde, die als Vermittler agieren.
    • Bieten Sie in jeder Phase eine laufende Unterstützung für die Teilnehmer*innen.

2. Aufwendiger Prozess 

  • Herausforderung: Der Beteiligungshaushalt erfordert Zeit, finanzielle Mittel und Verwaltungsaufwand, um ihn effektiv zu planen, zu fördern und zu überwachen.
  • Lösung: Nutzen Sie bestehende Netzwerke in der Gemeinde, ehrenamtliche Unterstützung und Partnerschaften mit gesellschaftlichen Organisationen, um die Kosten zu senken. Investieren Sie in benutzerfreundliche digitale Tools, die den Prozess vereinfachen, wie z. B. Online-Plattformen für die Einreichung von Ideen und Abstimmungen.

3. Herausforderungen bei der Aufrechterhaltung der Beteiligung

  • Herausforderung: Der anfängliche Enthusiasmus kann nach den ersten Beteiligungsphasen nachlassen, was im Laufe der Zeit zu einer geringeren Beteiligung führt.
  • Lösungen: 
    • Gestalten Sie die Projekte dynamisch, indem Sie die Schwerpunktbereiche wechseln und neue Themen einführen, z. B. Nachhaltigkeit oder Jugendbeteiligung.
    • Feiern Sie den Erfolg abgeschlossener Projekte und machen Sie ihn publik, um das öffentliche Interesse und Vertrauen in den Prozess aufrechtzuerhalten.

4. Technische und finanzielle Einschränkungen

  • Herausforderung: Viele Vorschläge sind aufgrund von Haushalts- oder gesetzlichen Beschränkungen nicht durchführbar, was zu frustrierten Teilnehmer*innen führen kann.
  • Lösungen:
    • Setzen Sie von Anfang an realistische Erwartungen, indem Sie das verfügbare Budget und die Kriterien für die Zulassung von Vorschlägen klar kommunizieren.
    • Bieten Sie Workshops an, die den Teilnehmer*innen helfen, praktische und umsetzbare Projektideen zu entwickeln.

Wie man mit einem Beteiligungshaushalt startet

Basierend auf erfolgreichen Beispielen unserer Go Vocal-Community geben wir Ihnen hier einen Überblick über die wichtigsten Überlegungen zur Einrichtung eines wirkungsvollen Beteiligungshaushalts:

1. Definieren Sie einen klaren Rahmen und Ziele

Legen Sie zunächst die Ziele Ihrer Initiative fest. Geht es darum, bestimmte Bedürfnisse der Gemeinde zu erfüllen, die Integration zu verbessern oder das Vertrauen zu fördern? Bestimmen Sie den Teil des Budgets, den Sie bereitstellen werden, und entscheiden Sie, welche Arten von Projekten infrage kommen.

2. Legen Sie transparente Richtlinien fest

Entwickeln Sie einen klaren und gerechten Rahmen, der die Teilnahmekriterien, die Förderfähigkeit von Vorschlägen und die Abstimmungsprozesse umreißt. Transparenz schafft Vertrauen und gewährleistet eine faire Beteiligung.

  • Tipp: Verwenden Sie eine benutzerfreundliche Plattform für die Bürgerbeteiligung und vergessen Sie nicht, die Richtlinien klar zu kommunizieren, um sicherzustellen, dass die Einwohner*innen jeden Schritt des Prozesses verstehen.

3. Frühzeitige Einbindung der Gemeinde

Beziehen Sie die Einwohner*innen von Anfang an mit ein, indem Sie Workshops, Bürgerversammlungen und Online-Termine durchführen, um so Beiträge über die Prioritäten der Bürger*innen zu sammeln. Eine breite Öffentlichkeitsarbeit ist wichtig, um eine vielfältige Vertretung zu gewährleisten.

  •  Tipp: Nutzen Sie Hilfsmittel wie Nachbarschaftsversammlungen oder ein Losverfahren, um die Einbeziehung unterschiedlicher Stimmen für den Entscheidungsprozess zu sichern.

4. Nutzung digitaler Tools für mehr Barrierefreiheit

Nutzen Sie digitale Plattformen, um die Beteiligung einfacher und integrativer zu gestalten. Online-Tools wie die Funktion für Beteiligungshaushalte von Go Vocal können die Einreichung von Vorschlägen, die Abstimmung und die Verfolgung des Fortschritts vereinfachen.

  • Tipp: Beteiligungsplattformen ermöglichen es den Bürger*innen, Vorschläge einzureichen, diese zu verbessern und sich auf dem Laufenden zu halten. Sie vergrößern die Reichweite der Vor-Ort-Bemühungen im großen Stil.

5. Klein anfangen und schrittweise ausbauen

Erwägen Sie die Durchführung von Beteiligungshaushalten vorerst in ein bis zwei Stadtvierteln oder Schwerpunktbereichen, um den Prozess zu testen und aus den Erfahrungen zu lernen. Anschließend können Sie ihn ausweiten.

6. Unterstützung und Moderation bereitstellen

Bieten Sie Workshops an und leiten Sie die Bürger*innen, um ihnen zu helfen, umsetzbare und realisierbare Vorschläge zu erarbeiten. Gehen Sie Partnerschaften mit kommunalen Führungskräften oder Organisationen ein, um die Öffentlichkeitsarbeit zu verstärken.

Möchten Sie noch tiefer eintauchen? Laden Sie unseren Leitfaden für Einsteiger in den Beteiligungshaushalt herunter!

Sören Fillet
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Sören Fillet

Sören hat ein tiefes Interesse an Politik und demokratischer Innovation. Er strebt danach, Geschichten zu erzählen, die Verwaltungen inspirieren und zu wirkungsvollerer Beteiligung anregen.

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